Was Backen mit Achtsamkeit und Entspannung zu tun hat

Was Backen mit Achtsamkeit und Entspannung zu tun hat

Ein kleiner Rückblick

Heute weiß ich: Backen war und ist für mich Entschleunigung, Entspannung und Achtsamkeit. Aber ich fange mal da an, wo alles begann: Als ich 4 Jahre alt war, stand ich das erste Mal mit meiner Mama in der Küche und habe mit ihr gemeinsam Weihnachtskekse gebacken. Ich hatte die viel zu große Schürze von meinem Papa an und musste auf einem Stuhl stehen, um an die Arbeitsfläche heranzukommen. Im Hintergrund lief meine Lieblings-Weihnachts-CD und im ganzen Haus duftete es nach Zimt, Vanille und Lebkuchen. Immer wenn ich zum Küchenfenster hinaussah, kam mir vor, dass die Schneeflocken, die vom Himmel fielen, noch dicker und weicher aussahen als im Moment zuvor. Wir kneteten den Teig mit unseren Händen, rollten ihn aus und backten die leckersten Weihnachtskekse, die ich je gegessen hatte. Es war ein unglaublich schöner Nachmittag.

Wir waren glücklich, lachten viel und die Zeit verging unglaublich langsam. Es fühlte sich so an, als hätte uns eine große Luftblase von der Außenwelt und den täglichen Aufgaben getrennt.

Diese Stunden haben mich wahrlich geprägt:

Seitdem backe ich mit großer Leidenschaft. Je öfter ich an diesen Nachmittag denke, desto öfter wird mir bewusst, welche Eindrücke diese wenigen Stunden bei mir hinterlassen haben. Es waren Momente, die mit purem Glück gefüllt waren und die heute immer noch ein wohliges, entspannendes Gefühl in mir hervorrufen, auch wenn ich nur ganz kurz daran denke.

Backen und Achtsamkeit? Wie soll ich mich denn dabei entspannen?

Viele Menschen verbinden Backen ja eher mit Stress als mit Entspannung. Es könnte ja ein Fehler passieren und alles wäre ein einziger Reinfall. Oder das Rezept sollte so einfach bzw. so schnell wie möglich zum Nachbacken sein, denn in unserer schnelllebigen Gesellschaft hat man wirklich keine Zeit, um sich noch stundenlang in die Küche zu stellen. Neben Job, Familie und anderen Verpflichtungen hetzen wir von einem Termin zum anderen und fragen uns irgendwann erstaunt, warum wir müde sind, innerlich unter Strom stehen oder einfach keine Ruhe finden. Es muss doch irgendwie möglich sein, alles zugleich zu erledigen und nebenbei noch gut gelaunt zu sein oder andere glücklich zu machen.

“Me Time”

Spätestens dann, wenn wir merken, dass mit unserer Psyche etwas nicht mehr stimmt oder uns ein schlechter Tag nach dem anderen jagt, bemerken wir, dass wir einfach doch „nur“ Menschen und keine Roboter sind. Wir entscheiden uns dazu, ein etwas achtsameres Leben zu führen, uns Zeit für uns selbst zu nehmen und versuchen, Momente im Alltag einzubauen, in denen wir ganz im Hier und Jetzt sind. Aber was bedeutet „achtsam“ sein? Wie sollen wir uns auf das Hier und Jetzt konzentrieren, wenn wir in Gedanken schon wieder ganz woanders sind? Ist in der heutigen Zeit überhaupt noch ein Platz für „Zeit für mich selbst“?

Spätestens dann sucht man sich Informationen zu Entspannungsübungen, Meditation, Yoga und Co. Manche Menschen finden darin die pure Entspannung, den Weg zu Glück und das Leben im Hier und Jetzt. Für diese Menschen freue ich mich ganz besonders. Aber was wird aus denen, die mit diesen Dingen einfach nichts anfangen können? Die ihren Stress dadurch nicht in vollkommene Entspannung umwandeln können? Ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin nicht der klassische Mediations-Typ. Ich schaffe es einfach nicht, mich mit diesen wirklich tollen Methoden zu entspannen.

Was Backen mit Achtsamkeit und Entspannung zu tun hat

Aber wenn ich an diesen einen besonderen Nachmittag in meiner Kindheit zurückdenke, erfüllt mich einfach pures Glück. Und so ist es auch heute noch: Ich meditiere nicht, sondern ich backe. Das mag im ersten Moment etwas eigenartig klingen, aber wenn man die einzelnen Vorgänge beim Backen ganz bewusst wahrnimmt, ist es eigentlich gar nicht mehr so schwer nachzuvollziehen, warum es eine ähnliche Wirkung wie die verschiedensten Entspannungsmethoden auf uns haben kann.

7 Gründe, warum Backen zu mehr Achtsamkeit im Alltag führen kann

Alle Sinne werden ganz bewusst eingesetzt

Beim Backen werden all unsere Sinne wieder zum Leben erweckt. Im Alltag geht das oft verloren. Wir haben (leider) oft nicht die Zeit, um uns einmal wieder richtig zu spüren, etwas bewusst wahrzunehmen oder auch nur einen klitzekleinen Moment ruhig zu werden und unsere Sinne einzusetzen. Beim Backen sind wir dazu gefordert: Der Teig wird mit den Händen verknetet. Man sieht und fühlt, wie aus einzelnen Zutaten etwas Ganzes wird. Es duftet herrlich im ganzen Haus und schon allein das Geräusch einer richtig knusprigen Brotkruste löst in uns Glücksgefühle aus. Wenn dann das Backwerk frisch aus dem Ofen kommt, man es vor lauter Vorfreude nicht mehr erwarten kann, sofort probieren muss und es eine Geschmacksexplosion gibt, ist das einfach unfassbar schön. Oft müssen wir es auch wieder lernen, bewusst zu fühlen, riechen, schmecken, sehen und zu hören. Oftmals verlernt man es auch.

Deshalb backe ich auch so gerne mit Kindern. Sie haben keine Scheu, die einzelnen Zutaten einfach zu verkosten, an ihnen intensiv zu riechen und den klebrigen Teig an den Händen zu spüren. All diese Erfahrungen bleiben in unserem Gehirn erhalten. Man denke nur an ganz bestimmte Erlebnisse oder Menschen, die man sich nur alleine durch den Geruchssinn wieder vollständig in Bildern erinnern kann. (Wie zum Beispiel der Duft von frisch gebackenen Apfelstrudel, der mich sofort an meine Oma erinnert.)

Gemeinsam Zeit mit einem lieben Menschen verbringen oder sich ganz auf sich konzentrieren

Wie schon oben beschrieben, backe ich liebend gerne mit Kindern. Es darf dabei auch was daneben gehen, es darf Schokolade in den Gesichtern sein und Mehl an den Händen kleben. Warum denn auch nicht? Beim Backen soll man schließlich Spaß haben. Ich selbst habe noch keine eigenen Kinder, aber ich denke sehr oft an die Backmomente mit meiner Mama oder meinem Papa oder sogar mit einigen FreundInnen. Das Schöne am gemeinsamen Backen ist, dass man nebenbei keine anderen Dinge macht, nicht ins Handy starrt oder “Wichtigeres” zu tun hat. Man kann sich austauschen, miteinander lachen, weinen, Ideen verwirklichen, kreativ sein und schließlich das gebackene Kunstwerk miteinander genießen. Und wenn etwas schief gegangen ist, kann man gemeinsam darüber lachen und es schnell wieder aufessen.

So sehr ich das Backen mit lieben Menschen mag, genieße ich aber auch die Momente in denen ich ganz bei mir sein kann. Meistens höre ich dann nebenbei meine Lieblingsmusik, singe mit, tanze durch die Küche und kann all meine Probleme, jeglichen Stress oder Ängste für diese Stunden vergessen.

Beim Backen im Hier und Jetzt sein

Sind wir doch einmal ehrlich? Wie oft sind wir wirklich im Hier und Jetzt? Eigentlich fast nie. Wir denken immer daran, was wir später noch alles zu erledigen haben, beim Abendessen denken wir schon wieder ans Frühstück, am Morgen denken wir schon an den Stress, der uns in der Arbeit erwartet und die Woche zuvor überlegen wir schon, was bei unserer Prüfung alles schief gehen könnte. Tja und dann wundert man sich, warum der Tag, die Woche und überhaupt das ganze Jahr wieder so schnell vergehen konnten.

Als Kind war ein ganzer Nachmittag vollgepackt mit den verschiedensten Spielen und dauerte eine Ewigkeit. Auch die Sommerferien in der Schule gingen gefühlt fast nicht vorbei. Das liegt daran, dass Kinder immer im Hier und Jetzt sind. Sie konzentrieren sich nicht auf Morgen oder Übermorgen. Natürlich darf man sich auf etwas freuen oder auf ein tolles Projekt hinfiebern, aber du weißt schon, was ich damit meine.

Beim Backen jedoch, bleibt einem gar nichts anderes übrig, als im Hier und Jetzt zu sein. Man fokussiert sich nur auf die einzelnen Schritte des Rezeptes, die nach und nach befolgt werden müssen. Eine gute Gelegenheit also, einmal an nichts anderes zu denken, als an die einzelnen Zutaten, Schritte und den Backprozess.

Selbstwirksamkeit erleben

“Ich kann nicht backen. Alles, was ich mache läuft schief. Mir ist das einfach zu aufwendig” Diese Sätze höre ich oft von Freunden, Freundinnen und Bekannten. Oft wird die Messlatte beim Backen sofort extrem hoch gesetzt. Man sieht die wunderschönen und perfekten Torten im Internet oder im Backbuch, die man im Handumdrehen umzusetzen versucht. Aber es gibt eben einen Grund warum diese Torten so aussehen, wie sie aussehen: viel Geduld, Übung und 1000 Stunden Backerfahrung.

Aber es muss keine aufwendige Torte sein. Man kann schon mit einem Becherkuchen-Rezept Selbstwirksamkeit erleben. Selbstwirksamkeit bedeutet so viel wie, ich kann selbst etwas bewirken oder schaffen. Auch wenn man sich selbst einen Becherkuchen am Anfang nicht zutraut, wird man danach umso mehr strahlen, wenn es dann doch klappt. Ein bisschen Mut gehört dazu, Fehler passieren und Perfektionismus ist leider immer noch ein großes Thema, auch bei mir. Aber es geht eben nicht immer nur um das Ergebnis:

Nicht das Ergebnis ist der entscheidende Punkt, sondern der Weg zum Ziel

Ich vergleiche es gerne mit meinem Beruf als Kindergärtnerin: Mir ist es zum Beispiel unglaublich wichtig, dass die Kinder Werk- oder Bastelarbeiten ALLEINE machen. Dadurch erleben sie (da sind wir wieder bei diesem Thema) Selbstwirksamkeit und dass man ihnen zutraut es alleine zu schaffen. Danach sind sie extrem stolz auf ihre Kunstwerke. Es geht einfach nicht darum, dass die Ergebnisse anschließend perfekt und wie aus dem Bilderbuch aussehen. Nein, die Werke sollen die Charaktere der Kinder widerspiegeln und je verschiedener die fertigen Werke aussehen, umso schöner ist dann die Pinnwand oder das Regal, wo sie ausgestellt werden.

Genauso ist es auch beim Backen: Es geht nicht um den perfekten Kuchen, der aussieht, wie auf dem Rezeptfoto. Es geht um den Prozess, bei dem aus vielen einzelnen Zutaten etwas Ganzes wird. Und wenn das Endprodukt erstmal “nur” lecker schmeckt, man sich beim Backen entspannen konnte und dabei Spaß hatte, dann kann man wirklich sehr stolz auf sich sein.

Bewusstsein für Nachhaltigkeit sowie regionale, qualitativ hochwertige und saisonale Zutaten

Mir ist es in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, auf qualitativ hochwertige, regionale und saisonale Zutaten zurückzugreifen. Die Eier und andere Milchprodukte hole ich am liebsten direkt vom Bauernhof (Ich schätze es sehr, auf dem Land leben zu dürfen). Ich achte darauf, welches Obst gerade Saison hat und versuche auch die Jahreszeiten mit allen Sinnen zu erleben. Ich liebe es, mit den Zutaten zu experimentieren und den Geschmack der Jahreszeiten einzufangen, sie in einen Kuchen oder in ein anderes Gebäck zu packen und so die Kindheitserinnerungen wieder zum Leben zu erwecken. Und ganz nebenbei tut man der Umwelt etwas Gutes, unterstützt regionale Verkäufer / Verkäuferinnen und steht für Tierwohl, das mir persönlich sehr sehr wichtig ist. Auch das ist Achtsamkeit: Eben achtsam mit seiner Umwelt umzugehen und sie dadurch selbst zu spüren und zu erleben.

Auch beim Backen, können Gedanken, Ängste und Sorgen vorbeiziehen

Beim Meditieren dürfen ja alle möglichen Gedanken zugelassen und angenommen werden. Anschließend lässt man sie dann wieder “vorbeiziehen”. Beim Backen empfinde ich diesen Prozess auch sehr oft. Beim Kneten oder Rühren der Teige, beim Dekorieren oder beim Wiegen der Zutaten kommen mir immer wieder extrem viele Gedanken in den Kopf. Ich setze mich oft unbewusst mit Dingen auseinander, die mich sehr beschäftigen und lasse sie dann wieder an mir “vorbeiziehen”. Wenn der Teig dann im Ofen ist und ich die Tür zumache, stelle ich mir vor, dass ich meine Sorgen/Ängste im Ofen mitbacke und kann sie dadurch besser verarbeiten. Klingt vielleicht etwas eigenartig und ungewohnt, aber ich habe diese Methode für mich entdeckt und mag sie sehr sehr gerne. Was ich auch sehr liebe ist das Warten vor dem Backofen. Dem Teig beim Aufgehen und Backen zuzuschauen entspannt mich extrem.

Was Backen mit Achtsamkeit und Entspannung zu tun hat

Springe über deinen Schatten

Auch wenn du dir bis jetzt noch nicht sicher warst oder dich noch nicht an ein Rezept herangewagt hast. Probiere es doch einfach einmal aus. Versuche deine Sinne einzusetzen und dich ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Vielleicht findest du beim Backen auch deine Entschleunigung und “Hier-und-Jetzt-Momente”, die dich aus dem Alltag holen können. Backe gemeinsam mit lieben Menschen oder für dich ganz alleine. Sei mutig und schraube deine Erwartungen hinunter. So wie ein Sprichwort schon sagt: “Es ist noch kein Meister/keine Meisterin vom Himmel gefallen.” Du musst nicht beim ersten Mal “perfekt” backen können. Nicht das Ergebnis, sondern der Weg dorthin ist das Ziel. Und glaub mir, du wirst extrem viel Glück empfinden, Selbstwirksamkeit erleben und stolz auf dich sein, wenn du dein duftendes Backwerk aus dem Ofen holen kannst. Auch hier gilt: Unperfekt ist das neue PERFEKT!

Und wenn das Backen dann wirklich nichts für dich ist, dann gibt es ja noch Yoga, Mediationen und andere tolle Entspannungsmethoden, die dich bestimmt aus dem Alltag holen können. 🙂

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